Unterrichtungen über
a) die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung einer länderübergreifenden Entlastungsstraße (Südumgehung) durch die Erstellerin (Landesbaubehörde Sachsen-Anhalt)
b) Genehmigungsfähigkeit der Südumgehung durch den Landkreis Börde
c) Förderkriterien für eine Umfahrung Graslebens durch die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr Wolfenbüttel
d) die Verlegung der Kreisstraße 56 durch den Landkreis Helmstedt
auf Anfrage der CDU-FDP-Gruppe
Protokoll:
Ausschussvorsitzender Jaeger verliest einleitend den TOP 8 und übergibt das Wort an Ratsmitglied Koch.
Ratsmitglied Koch weist die einleitenden Anschuldigungen von Ausschussmitglied Storm zurück. Sie klärt auf, dass sie die Flyer vorbereitet habe, sie aber erst nach ergangener Einladung am 11.01.22 den Druck freigegeben habe und diese bereits am 12.01.22 vorgelegen hätten.
Ratsmitglied Koch erörtert den geschichtlichen Werdegang seit der Grenzöffnung 1989 und führt aus, dass bereits zu Weihnachten 1989 eine ausgebaute Landesstraße von Grasleben nach Weferlingen geschaffen worden sei. Sie bedauere sehr die starke Belastung der Anwohner der Magdeburger Straße durch die sehr stark frequentierte Straße, die daraus resultierenden gefährlichen Situationen, die abgefahrenen Spiegel sowie die Straßen- und Häuserschäden. Weiter führt sie aus, dass sich die Verwaltung und der Rat stets bemüht hätten durch verschiedene Planungsvarianten eine realisierbare Lösung zu finden - auch eine Südvariante sei bereits geprüft und wieder verworfen worden. Im Jahr 2011 habe die damalige Trasse, die relativ nah hinter der Wohnbebauung auf die "Rote Welle" schloss, als Lösung gegolten. Diese habe jedoch zu Klagen geführt und sei 2012 vom OVG gestoppt worden, weil festgestellt worden sei, dass die Planung nicht im Zuständigkeitsbereich der Gemeinde Grasleben liege, da es sich nicht um eine Gemeindestraße handele. Das Gericht habe aber offengelassen, wie die Entlastungsstraße stattdessen einzustufen sei. 2015 habe das Ergebnis einer weiteren Verkehrsuntersuchung vorgelegen. Die bisher geplante Streckenführung im nördlichen Bereich der Magdeburger Straße sei von diversen Anliegern abgelehnt worden, da diese dann nah hinter den Häusern verliefe und man von beiden Seiten Beeinträchtigungen erwartete; man habe mit weiteren Klagen gedroht. Zusätzlich sei bekannt, dass das Land Niedersachsen seit den 1980er Jahren keine neuen Landesstraßen mehr baut. Aus diesen Erkenntnissen sei die "neue Nordvariante" als Verlängerung der K56 entstanden, die somit vom Land auch förderfähig wäre.
Der Idee der "Südumgehung" habe man sich in der vergangenen Legislaturperiode nicht verschlossen, da diese Variante Weferlingen, Grasleben, Walbeck und Mariental entlasten könnte. Der damalige Verkehrsminister aus Sachsen-Anhalt, Herr Webel, habe die Erstellung einer Kosten-Nutzen-Analyse zugesichert und habe sogar die Kosten der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung zugesagt. Aus diesem Grund sei die Nordvariante zunächst zurückgestellt worden. Der Verfasser komme zu dem Ergebnis, dass die Trasse nicht wirtschaftlich sei und die Genehmigungsfähigkeit hinsichtlich des Naturschutzes sowie des vorhandenen Bergwerkes und weiterer Gründe sehr wahrscheinlich keine Aussicht auf Erfolg habe.
Als einzige, realisierbare und für die Magdeburger Straße Entlastung bringende Variante sei die "neue Nordumgehung" angesehen worden. In Abstimmung habe der Landkreis Helmstedt Mittel für erste Planungskosten eingestellt und das Land habe eine 75-prozentige Förderung in Aussicht gestellt.
Ratsmitglied Koch führt aus, dass der Rat der Gemeinde Grasleben am 24.08.2020 beschlossen habe, dem Landkreis Helmstedt die Planung der Nordumgehung vorzuschlagen, allerdings unter der Voraussetzung, dass eine länderübergreifende Entlastungsstraße (Südumgehung) aus wirtschaftlichen Gründen vom Land Sachsen-Anhalt verworfen werde. Die CDU/FDP-Gruppe halte den Antrag der Gruppe "SPD, Freies Wählerbündnis und Bürgerliste Grasleben" zur Aufhebung des Beschlusses (V003/22) für voreilig. Der Beschluss aus 2020 lasse auch eine weitere Prüfung einer Südumgehung zu; die Regelung zur Nordumgehung brauche lediglich in Absprache mit dem Landkreis zurückgestellt werden. Würde der Beschluss jedoch aufgehoben werden, könnten die eingestellten Mittel sowie die Berücksichtigung im Investitionsprogramm des Landkreises 2022-2026 ihrer Kenntnis nach entfallen.
Gemeindedirektor Janze ergreift wegen der Abwesenheit der Landesstraßenbaubehörde Sachsen-Anhalt und des Landkreises Börde das Wort und verweist darauf, dass die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der Landesstraßenbaubehörde Sachsen-Anhalt öffentlich auf der Homepage der Samtgemeinde Grasleben einsehbar sei. Er macht deutlich, dass die angedachte Südumgehung mehrere Schutzgebiete durchlaufe und weitere erhebliche Beeinträchtigungen bestünden (Bau von Brücken, Herstellung von Lärmschutz, Bergrecht, Naturschutz und Forsten, Waldgenehmigungen, strittige Ausgleichsmaßnahmen, Wasserwirtschaft). Zudem stünden die Kosten von ca. 38 Mio. € einer geringen Entlastung von 3.500 Fzg./Tag entgegen. Gemeindedirektor Janze teilt mit, dass nach telefonischer Rücksprache mit Herrn Stephan Leitel (vom 11.01.2022), dem persönlichen Referenten der Verkehrsministerin aus Sachsen-Anhalt, Frau Dr. Lydia Hüskens, die schriftliche Einschätzung des Ministeriums zur Realisierbarkeit weiterhin gelte. Ausdrücklich gebe es durch den Wechsel der Hausspitze nach der Wahl keine geänderte Einschätzung der Sachlage.
Ausschussmitglied Storm erfragt, warum Herr Böhle von der Landesstraßenbaubehörde Sachsen-Anhalt nicht an der Sitzung teilnehme. Hierzu teilt Ausschussmitglied Koch mit, dass die Landesstraßenbaubehörde Sachsen-Anhalt aufgrund der pandemischen Lage keine Termine in Präsenz wahrnehmen dürfe und kurzfristig abgesagt habe.
Weiterhin fragt Ausschussmitglied Storm nach der Stellungnahme des Landkreises Börde. Das entsprechende Schreiben werde dem Protokoll beigefügt, dies sei laut Gemeindedirektor Janze seinerzeit den damaligen Ratsmitgliedern übersandt worden, aber auch auf der Internetseite der Samtgemeinde eingestellt. Er bedauere, dass Ausschussmitglied Storm dies nicht wisse.
Ratsmitglied Koch bittet Herrn Peuke, Leiter der Nds. Landesbehörde für Straßenbau u. Verkehr, Geschäftsbereich Wolfenbüttel um seinen Wortbeitrag.
Herr Peuke berichtet über Fördermöglichkeiten von Straßenbauvorhaben durch das Nds. Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (NGVFG). Er erläutert, dass in den §§ 2 und 3 die förderfähigen Bauvorhaben sowie die Voraussetzungen für potenzielle Förderungsszenarien dargelegt seien.
Er stellt klar, dass die Fördermöglichkeiten ausschließlich für Gemeinde- und Kreisstraßen gelten, da im Straßenbauplanungsfonds des Landes seit den 80er Jahren keine Mittel für Neubauvorhaben hinterlegt seien. Herr Peuke weist darauf hin, dass es noch keine feste Förderzusage für die angedachte Nordumgehung gebe, aber dass die Maßnahme gem. NGVFG grundsätzlich förderfähig seien könnte und die Realisierbarkeit im weiteren Verfahren zu prüfen sei.
Die Nachfrage von Ratsmitglied Koch, ob die "Südumgehung" förderfähig wäre, verneint Herr Peuke mit der Begründung, dass anzunehmen sei, dass eine potenzielle Straße einen Charakter einer Landesstraße aufzeigen würde und als eine solche bezeichnet und somit nicht förderfähig wäre. Seit den 80er Jahren werde von verschiedensten politischen Regierungskonstellationen kein Budget für den Neubau von Landesstraßen eingestellt, da das Landesstraßennetz erschöpft sei.
Landrat Gerhard Radeck berichtet, dass er bereits 2015 in seiner Funktion als Polizeichef an einer Ortsbegehung teilgenommen habe und das verkehrstechnische Problem, die starke Belastung der Magdeburger Straße, miterlebt habe. Als Landrat sei er erneut mit der Problematik konfrontiert worden und habe festgestellt, dass die Möglichkeiten der Varianten begrenzt seien. Mit dem Beschluss aus 2020 sei der Landkreis Helmstedt nunmehr aufgefordert worden, Mittel für die Planung der Nordumgehung in den Haushalt einzustellen. Aus Sicht des Landkreises Helmstedt sei die Südvariante nicht zielführend, u.a. da diese von Sachsen-Anhalt nicht befürwortet werde. Die Nordvariante bringe zwar keine vollumfängliche Entlastung aller Orte, aber immerhin eine zu erwartende Entlastung der Magdeburger Straße in Grasleben.
Der Leiter des Geschäftsbereiches Bauaufsicht, Denkmal- u. Immissionsschutz des Landkreises Helmstedt, Marcus Wagner, führt zu den technischen Faktoren aus, dass die Nordumgehung eine Kreisstraßenqualifikation bekäme. Die vom Landkreis Helmstedt eingestellten Haushaltsmittel seien die Grundlage für die Planungsvorbereitung für ein zu erstellendes Verkehrsgutachten und den notwendigen Antrag für die Förderung.
Auf Nachfrage von Ratsmitglied Koch, was mit den im Landkreishaushalt eingestellten Mitteln in Höhe von 68.000 € passieren würde, wenn der Beschluss aufgehoben werde, erklärt Herr Wagner, dass dann der Grund für die Maßnahme wegfalle und daher keine weitere Planung durchgeführt werde. Diese Mittel würden anderen Maßnahmen zugeführt.
Ausschussmitglied Storm erfragt, ob Mittel zurückzuzahlen wären, wenn sich herausstelle, dass die Vorsfelder Straße nicht entlastet wird. Dies verneint Herr Wagner, da die zu erwartende Entlastung im Vorfeld durch das bereits genannte Verkehrsgutachten geprüft werden würde. Ferner sei bereits heute klar, dass die Vorsfelder Straße bei einer Nordumgehung nicht entlastet werde.
Weiterhin erfragt Ratsmitglied Storm, in welchem Planungsschritt man sich befinden würde. Herr Wagner bezeichnet den aktuellen Planungsschritt als Vorprüfung, um die Planungsfähigkeit zu sichern und als Vorbereitung zur Antragstellung der Fördermittel beim Land Niedersachsen. In einem ersten Schritt müsse eine neuerliche Verkehrsuntersuchung durchgeführt werden.
Ratsmitglied Koch ergänzt, dass eine neue Verkehrsuntersuchung nicht durchgeführt werde, wenn man den Beschluss aufhebe und man somit diese Option verstreichen ließe. Dies wird von Herrn Wagner bestätigt.
Weiterhin fragt Ausschussmitglied Storm nach den bisher entstandenen Kosten. Hierzu erklärt Gemeindedirektor Janze, dass nach seiner spontanen Einschätzung nur Personalkosten auf Ebene der Samtgemeinde und vernachlässigbare Kosten entstanden seien. Herr Nitsche erörtert, dass Kosten zum damaligen Planverfahren der "alten Nordumgehung" sowie Kosten im Zusammenhang mit dem Klageverfahren zu verzeichnen seien.
An Herrn Peuke stellt Ausschussmitglied Storm die Frage, ob die Magdeburger Straße eine Landesstraße bleiben würde, weil es auf der sachsen-anhaltinischen Seite eine Landestraße sei. Herr Peuke erklärt, dass für die Klassifizierung der jeweilige Streckenzug zu betrachten sei. Durch den Neubau von Straßenteilen können sich die Einteilung der Streckenzüge und somit ggf. auch die Klassifizierung ändern.
Ratsmitglied Koch wirft die Frage auf, ob die Funktion als Landesstraße für die Magdeburger Straße weiterhin geprüft werde. Sie erfragt, ob möglicherweise eine Umwidmung erfolgen und somit verkehrsberuhigende Maßnahmen gebaut werden könnten, wenn die Magdeburger Straße später durch eine veränderte Auslastung nicht mehr die Funktion einer Landesstraße erfülle. Dies bejaht Herr Peuke.
Ausschussmitglied Storm berichtet, dass er eine Anfrage an das Ministerium gestellt habe und er von der CDU-Landtagsabgeordneten (Sachsen-Anhalt) Frau Hietel die Auskunft erhalten habe, dass es weitere Gespräche geben soll. Er sagt zu, der Verwaltung die entsprechenden Schriftstücke zur Verfügung zu stellen, damit diese dem Protokoll beigefügt werden [Nachtrag: Bis zum 17.02.2022 (Protokollfertigstellung) wurden keine Schriftstücke übersandt.].
Ratsmitglied Koch führt aus, dass auch sie mit Frau Hietel telefoniert habe und erläutert, dass im Koalitionsvertrag von CDU/FDP vereinbart sei, dass das gesamte Straßenverkehrsnetz Sachsen-Anhalts neu betrachtet werden soll. An den umweltfachlichen Gründen werde sich ihrer Ansicht nach jedoch nichts ändern und somit werde schwerlich eine Genehmigung der Südumgehung zu erreichen sein.
Die Sachkundige, Frau Kreisel, führt zum Raumplanungsverfahren aus und erläutert die unterschiedlichen Strukturebenen der Obersten und Unteren Landesentwicklungsbehörde. Ihrer Einschätzung nach könnten sich die Rahmenbedingungen ändern, sofern die Oberste Landesentwicklungsbehörde die Maßnahme "Südumgehung" als wichtig ansehe. Sie regt an, dass die Gelegenheit genutzt werden sollte, diese Maßnahme weiterzuverfolgen, insofern das Ministerium die Landesentwicklungsplanung überarbeite und Gespräche mit den entsprechenden Stellen aufzunehmen.
Abschließend stellt Gemeindedirektor Janze klar, dass der Beschluss vom 24.08.2020 seiner Überzeugung nach nicht aufgehoben werden dürfe, wenn eine Entlastung für die Gemeinde Grasleben erreicht werden soll. Mit der Aufhebung des Beschlusses werde es aufgrund der bisher vorliegenden schriftlichen Einlassungen aller beteiligten Behörden seiner Einschätzung nach keine Entlastungsstraße geben. Die Ratsmitglieder müssten sich daher der möglicherweise gravierenden Auswirkungen ihrer Entscheidung bewusst sein.
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